Das Berliner LaDIYfest wird einmal in einer mehrtägigen Version im Sommer und in einer eintägigen im Winter durchgeführt und besteht aus Workshops, Lesungen, Filmvorführungen, Ausstellungen, Konzerten, Party und einigem mehr.
Zur Planung des LaDIYfestes schließen sich FrauenLesbenTrans mit der Motivation ein mehrtägiges Festival auf die Beine zu stellen zusammen. Die meisten von uns sind jung, nichtbehindert, weiß und studierend oder fertig studiert, aber Neue, die nicht in diese Kategorien fallen, sind herzlich willkommen. Da einige aus anderen Ländern kommen und Deutsch nicht ihre Muttersprache ist, wird viel Englisch gesprochen. Alle arbeiten unbezahlt, jede bringt ein, soviel sie kann und will, und ein gutes Stück weit geht es den Vorbereitenden um das Miteinander und den Spaß beim Organisieren.
Im Jahr 2008 und 2009 war ich Teil dieses Teams und habe am Anfang der Planungsphase des SommerlaDIYfestes 2009 die Idee eingebracht, dieses möglichst barrierefrei zu gestalten. Es gab zunächst nur Zustimmung.
Die Motivation lag irgendwo zwischen dem Wunsch, niemanden ausschließen zu wollen, politisch korrekt zu sein und sich von anderen linken Veranstaltungen abzuheben. Die ein oder andere mag auch noch an Freund_innen gedacht haben, die auch kommen wollen würden, aber in den Vorjahren aufgrund von Barrieren nicht konnten. Manche reizte auch die eigene persönliche Weiterentwicklung und eine Auseinandersetzung mit den eigenen Privilegien und Barrieren oder sie wünschte sich eine Bereicherung durch Vielfalt für die Veranstaltung.
Es wurde also eine kleine „Barrierfrei“-Gruppe gegründet, die unabhängig von den anderen Arbeitsgruppen arbeiten, Informationen zur Barrierefreiheit sammeln und an die Arbeitsgruppen weitergeben wollte.
Dadurch hat sich das LaDIYfest verändert. Es gab ein Rollipodest, einen Kinderspielraum und einen Ruheraum, Übersetzungen in mehrere Sprachen (u.a. 2 Veranstaltungen in Gebärdensprache), der Filmabend war in einen Teil mit Sprache und einen ohne aufgeteilt, es war immer jemand am Infotisch und hat unsere Barrierefrei-Hotline betreut, das Essen war für Allergiker_innen beschriftet, es gab einen übersichtlichen Raumplan und gute Ausschilderung, eine Beschreibung der barrierefreien Anfahrt mit der BVG und nicht zuletzt viele freundliche Gesichter.
Im Laufe der Vorbereitungszeit gab es einige Diskussionen, die aufkamen:
Kosten
Beim LaDIYfest ist wie bei anderen linken Veranstaltungen sowieso grundsätzlich zu wenig Geld da, und das was da ist, muss meist mühsam beschafft werden, z. B. durch Solipartys und Spenden. Zusätzliche Kosten tun weh, deshalb werden Extrakosten häufig wegrationalisiert. Barrierereduktion ist aber oft mit Extrakosten verbunden Wir haben uns gegen die Idee, Barrierefreiheit über den Eintritt mitzufinanzieren entschieden, da dies wiederum ein Ausschluss für Personen wäre, die diesen nicht bezahlen können.
Unbezahlte Arbeit
Kritikpunkt war auch, dass alle bei der Organisation und Umsetzung des LaDIYfestes unbezahlt arbeiten, inklusive der Expert_innen wie Musiker_innen, Techniker_innen, etc. Jedoch war es uns nicht möglich, unbezahlt arbeitende Gebärdensprachdolmetscher_innen zu finden. Letztlich haben wir uns doch für die Bezahlung von Gebärdensprachdolmetscher_innen entschieden, da wir hierfür gebundene Stiftungsgelder organisieren konnten und es ansonsten keine Übersetzung hätte geben können.
Spaßfaktor
Da beim LaDIYfest alle unbezahlt und in ihrer Freizeit arbeiten, ist es naheliegend, dass sie sich mit den Themen beschäftigen wollen, die sie aktuell interessieren. Barrierefreiheit war meist nicht im Interessensfokus, machte den meisten nur bedingt Spaß.
Belohnungs- oder Erfolgserwartung
Manche der Veränderungen, für die wir uns entschieden haben, waren mit Mehrarbeit verbunden. Bei dieser war die Aussicht, dass sich das Getane hinterher „auszahlt“ und gut anfühlt, ein wichtiger Motivationsfaktor. Während der Vorbereitungsphase kamen häufiger Zweifel auf wie: Wie viele Leute im Rollstuhl/ taube Menschen etc. kommen denn? Lohnt sich dafür der ganze Stress?
Künstlerische Freiheit vs Barrierefreiheit
Beim Design z.B. von Flyern und Postern stieß die Grafiker_in/ Künstler_in schnell auf Grenzen hinsichtlich einer Barrierereduktion. Barrierefreie Farbkombination entsprachen nicht ihrem Stil und engten ihren Gestaltungsspielraum ein.
Bei der Erstellung von Texten wäre die Verwendung von leichter Sprache mit Mehrkosten verbunden gewesen. Zudem ist es uns schwer gefallen, auf den szeneinternen Sprachgebrauch, an den wir gewöhnt sind, zu verzichten.
Wir haben uns in beiden Fällen also gegen die barriere-reduzierende Alternative entschieden.
Unterschiedliches Prioritätsempfinden
An wen sich das LaDIYfest wendet und welche Barrieren zuerst abzubauen sind, wird von jede_r anders empfunden. Es kam auch die Frage auf, ob wir eher Barrieren abbauen wollen, auf die viele Menschen treffen oder Barrieren, die zwar nur wenige betreffen, aber durch die die Betroffenen umso häufiger ausgeschlossen werden.
Ein Anfangsproblem war die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten. In Berlin gibt es leider nur eine begrenzte Anzahl an erschwinglichen linken Räumen, die rollifahrer_innenfreundlich sind. Glücklicherweise fanden wir in der Schule für Erwachsenenbildung und im SO36 sehr gute Voraussetzungen vor. Beim Wagenplatz Schwarzer Kanal blieb uns nur, die Lokation genau zu beschreiben und den Weg zur nächsten Citytoilette herauszufinden.
Dass es eine ausgelagerte Gruppe gab, die sich um Barrierefrei-Belange kümmerte, brachte auch einige Schwierigkeiten mit sich. Wir waren nicht in den einzelnen Arbeitsgruppen vertreten, hatten nicht viel Austausch über den Vorbereitungsstand und so wurden einige Dinge erst spät mitgedacht. Z.B. hatten wir für die Party im SO36 zunächst extra eine Rampe organisiert, und erst später stellte sich heraus, dass es dort einen separaten Eingang für Rollifahrer_innen gibt und wir die Rampe gar nicht brauchten. Besser wäre es, wenn die Barrierefrei-Gruppe aus Vertreter_innen der AGs besteht, so das in jeder Gruppe von Anfang an jemand Barrieren mit denkt. Noch besser wär’s, wenn alle mitdenken.
Auch bei der Öffentlichkeitsarbeit gab es einige Schwierigkeiten. Mangels Kontakten zu Netzwerken und Listen konnten wir uns nur eingeschränkt direkt an Menschen wenden, die sonst häufig auf Barrieren treffen. Auf dem Poster war für eine genaue Beschreibung unseres Angebotes kein Platz, da wir gerne auf die verschiedenen Veranstaltungsorte und –formen hinweisen wollten. Letztendlich stand dort nur das Wort „barrierfree“. Dass dies einerseits nicht der korrekte englische Begriff ist (der wäre accessibility), andererseits auch zu viel versprochen ist (da noch viele Barrieren stehen geblieben sind), haben wir gelernt.
Wir haben uns gefreut, Rückmeldungen zu bekommen, z. B., dass viele taube Menschen Plakate erst gar nicht lesen, da sie in den meisten Fällen sowieso nicht viel von der Veranstaltung hätten. Ein Piktogramm mit gebärdenden Händen würde ihnen viel eher auffallen.
Insgesamt freue ich mich sehr, dass der Gedanke der Barrierereduktion im LaDIYfest angekommen ist und die Umsetzung unserer Ideen so gut gelungen ist, und ich hoffe er wird noch von vielen Generationen weiter getragen und ausgebaut.