Demo / Party

Seit mehreren Jahren bin ich politisch aktiv und bewege mich in der „linken Szene“. Ich gehe auf Demonstrationen, besuche Infoveranstaltungen, trinke mein Bier in der Szenekneipe und besuche Partys – der gewöhnliche „linke“ Alltag also. Und doch frage ich mich seit geraumer Zeit, warum die meisten „Freiräume“ nicht auf die Bedürfnisse von bewegungseingeschränkten Menschen wie mich ausgerichtet sind. Weil ich Fußgänger bin, ist es mir meistens möglich, die verschiedenen Locations doch zu besuchen, auch wenn es anstrengend und nervig ist. Ab und zu frage ich mich aber auch, ob ich bei dieser oder jener Veranstaltung wirklich dabei sein muss, wenn doch auf meine Anwesenheit offensichtlich gar kein Wert gelegt wird. Anscheinend hat sich niemand vorher Gedanken darüber gemacht, dass nicht alle gerne Treppen laufen oder laufen können.

Demonstrationen und Kundgebungen sind ein viel genutztes Mittel politischen Engagements. Es gibt verschiedene Demokulturen und Rituale, nach denen Demonstrationen ablaufen. Dabei macht es einen Unterschied, wer aus welchem Anlass eine Demo organisiert. Eine Antifademo aus Anlass eines kürzlich geschehenen Naziübergriffs wird anders verlaufen als eine bunte Großdemo gegen Atomkraft, organisiert von einem breiten Bündnis aus Initiativen und Parteien.

Wenn ich zum Beispiel an einer Demo teilnehmen möchte, dann helfen mir frühere Erfahrungen, die anstehende Veranstaltung einzuschätzen und zu entscheiden, ob ich daran teilnehmen möchte oder nicht. Selbstverständlich haben es nicht immer die Veranstalter_innen und Teilnehmer_innen in der Hand, wie die Demo verlaufen wird: Nicht selten werden unübersichtliche Situationen, in denen die Leute durcheinanderlaufen, durch die Polizei verursacht. Doch jenseits davon sind es auch bestimmte Aktionsformen und Rituale wie plötzliche Sprints, die mich ausschließen bzw. bei mir Angst auslösen können, nicht in der Lage zu sein, mich schnell genug in Sicherheit zu bringen. Für blinde oder gehörlose Personen ergeben sich hierbei noch ganz andere Probleme: Wie lässt sich die Situation einschätzen, wenn ich nicht sehe, was um mich herumpassiert? Wie bekomme ich etwas mit, wenn ich die Durchsagen nicht höre?

Es ist also gut, sich als Veranstaltende bereits im Vorfeld zu verständigen, was es für eine Aktion sein soll, welchen Charakter sie haben und wer angesprochen werden soll. Eine „Latschdemo“ birgt sicher für alle weniger Gefahren als eine Demo, die schnellen Schrittes durch die Straßen zieht und in der alle in Ketten laufen. Wobei eine einzige Demo an verschiedenen Stellen ganz unterschiedlich aussehen kann. Wenn ihr eine Demo plant, an der ich teilnehmen soll, dann macht es Sinn, vorher die Route nach möglichen Barrieren (Kopfsteinpflaster, Sand, keine abgesenkten Bordsteine, Straßenbahnschienen, Steigungen etc.) zu untersuchen. Anfahrt und Zielort sollten gut erreichbar und barrierefreie Bahnhöfe in der Nähe sein. Wenn ich auf Demos gehe, dann kümmere ich mich wie vermutlich die meisten von euch das auch tun darum, dass ich eine gute Bezugsgruppe habe. Sie hilft mir dabei, mehr Sicherheit zu gewinnen. In der Gruppe tauschen wir uns über die Bedürfnisse der einzelnen Personen aus, treffen klare Absprachen und bleiben zusammen (stehen). In riskanten Situationen können wir uns gegenseitig unterstützen. Für Notfälle können wir einen gemeinsamen Treffpunkt vereinbaren. Wenn ich auf einer Demo einen Redebeitrag halte, ist es gut, wenn der Lautsprecherwagen über eine Hebebühne verfügt.

Nach einer erfolgreichen Demo ist es schön, gemeinsam Party zu machen. Grundsätzlich ist diesem Zusammenhang auf die gleichen Punkte zu achten wie bei anderen Veranstaltungen auch. Auch auf Partys und Konzerten kann es unterschiedliche Bedürfnisse geben. Ich kann nachvollziehen, wenn einige pogen möchten, wenn dabei jedoch nicht auf die anderen geachtet wird, kann ich mich nicht entspannen und bin die ganze Zeit darauf bedacht, mich auf den Beinen zu halten. Es ist eine Hilfe, wenn einige sich als „Schutzschild“ zur Verfügung stellen. Verschiedene Bereiche zum Tanzen und Chillen sind gut, sollten jedoch nicht zu weit auseinander liegen. Treppen zwischen Tanzfläche und Barbereich finde ich zum Kotzen: Je später der Abend und je höher der Alkoholgehalt im Blut, desto beschwerlicher wird der Weg. Erst recht, wenn die Stufen zum Sitzen genutzt werden und Leute sich am Geländer anlehnen. Suboptimal ist es auch, wenn ich mich zwischen verschiedenen Bereichen entscheiden muss, weil ich zwar Musik hören möchte, aber gerade nicht mehr stehen kann. Mit Sitzgelegenheiten in direkter Nachbarschaft zur Tanzfläche kann ich beides miteinander vereinbaren. Auch hier hilft es, vorher transparent zu machen, was passieren wird. Das Verhalten auf der Tanzfläche sollte so angepasst sein, dass niemand gefährdet wird.

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