Wir linksradikalen Menschen haben in der Regel kein Geld, wenn wir nicht gerade eine Partei oder Gewerkschaft hinter uns haben. Wir lernen, aus der Not eine Tugend zu machen. Unsere schönsten Schöpfungen sind nicht kommerziell und brauchen relativ wenig finanzielle Mittel.
Die Tresenschichten in der ehemals besetzten Kneipe sind freiwillig und umsonst, Demos werden aus Überzeugung und am Wochenende vorbereitet, Flugblätter und Broschüren nach Feierabend geschrieben. Wo kein oder nur wenig Geld im Spiel ist, lassen sich Machtverhältnisse und Entfremdung vermeiden oder zumindest in Grenzen halten.
Aber diese Freiheit hat eine Kehrseite. Selbstbestimmte, nicht-entfremdete Arbeit schlägt unter den gegebenen kapitalistischen Bedingungen leicht in Selbstausbeutung um und Improvisation in Armut.
Das Problem ist weithin bekannt und tritt auch im Zusammenhang mit Barrieren und Barrierefreiheit auf. Viele Barrieren kann man selber beseitigen, einige auch ohne Geld, aber nicht alle. Luxushotels hätten es leicht, mit Rollstuhlrampen nach DIN-Norm und elektrischen Türöffnern zu glänzen (obwohl sie das keineswegs immer tun). Anders sieht es normalerweise bei der ex-besetzten Kneipe im Kollektivbetrieb aus; was hier an Mitteln fehlt, muss durch Engagement wettgemacht werden. Leider fehlt oft nicht nur das Geld, sondern umfassende Barrierefreiheit ist auch noch richtig teuer. Der Blick auf Preislisten für Hilfsmittel1 wie Rampen oder Toilettengriffe lässt schnell verzweifeln und aufgeben, weil es nicht bezahlbar ist.
Hier ein paar Beispiele:
Die Preise für Rampen, die mit einem Rollstuhl befahrbar sind, schwankt stark je nach deren Größe und Beschaffenheit. Klappbare kleine Rampen aus Aluminium sind ab 300-400 € zu bekommen, die Preise steigen mit zunehmender Größe in den 4stelligen Bereich. Stützen oder Haltegriffe für Toiletten kosten mindestens 70-100 €. Der komplette Umbau von Räumlichkeiten oder beispielsweise Toiletten lässt sich preislich schwer beziffern. Individuelle Kosten für Hilfsmittel übernehmen oft die Krankenkassen, bei Umbauten von öffentlichen Gebäuden und Häusern sieht das anders aus.
Die Ungleichverteilung der Mittel im Kampf um Barrierefreiheit ist, gelinde gesagt, ärgerlich, aber kein Grund zur Kapitulation.
Dreierlei steht uns zu Gebote:
Schaffung und Verbreitung von Wissen und Bewusstsein
Selber machen und umsonst
und last not least Geldquellen anzapfen Hier interessiert uns besonders der dritte Punkt.
Wo, wie und für was Geld beantragt werden kann, hängt von den Umständen ab. Einige Quellen wollen wir nun auflisten:
Zwiespältiger Ansprechpartner: Staat2
Sozialgesetzgebung
Der Staat ist in Bezug auf Barrierefreiheit äußerst geizig. Weit und breit kein landesweites Investitionsprogramm, um gesellschaftliche Infrastrukturen von Barrieren zu befreien. Selbst bei öffentlichen Neubauten werden entsprechende Bauvorschriften gern missachtet. Allerdings haben Menschen mit Behinderung als Individuen bestimmte Rechte gegenüber dem Staat, die sie auf dem Antrags- und notfalls Klageweg geltend machen können. Hier seien nur zwei Leistungen genannt, die im Kontext von Veranstaltungen wichtig sein könnten.
Persönliche Assistenz bei Fahrten, die von der Schule oder der Uni organisiert werden, z. B. zu Arbeitswochenenden der Schüler_innenvertretung oder der studentischen Fachschaft/Hochschulpolitgruppe.
Solche Leistungen werden aus dem Topf der „Eingliederungshilfe für behinderte Menschen“ bezahlt. Diese sind im Sozialgesetzbuch IX und XII ausgeführt und dazu zählen Leistungen der „medizinischen Rehabilitation“, der „Teilhabe am Arbeitsleben“ und der „Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“. Verschiedene Kostenträger übernehmen die Kosten nach Antragsstellung und -bewilligung.
Die meisten von uns sind selten in der Situation, dass sie einen Arbeitsvertrag zu vergeben haben. Sollte dies aber doch der Fall sein und ein Mensch mit Behinderung übernimmt den Job, dann gibt es die Möglichkeit, Arbeitsassistenz und Gelder für den Umbau oder die Ausstattung des Arbeitsplatzes zu beantragen. Diese Kosten übernehmen in der Regel die Integrationsämter oder die Agentur für Arbeit.
Krankenkasse
Bei der Krankenkasse können Menschen mit Behinderung unter anderem folgendes beantragen:
Umbauten in der Wohnung und Finanzierung von Hilfsmitteln, was insbesondere für Hausprojekte interessant ist (z.B. § 33 „Hilfsmittel“ SGB V)
So kann die Krankenkasse die Kosten für spezielle Hilfsmittel, z. B. eine mobile Rampe, übernehmen, die vielfältig eingesetzt werden kann.
Stiftungen/ Organisationen
Jenseits von Staat und Krankenkasse gibt es natürlich noch das weite Feld, das der marxistische Philosoph Antonio Gramsci „Zivilgesellschaft“ genannt hätte, vulgo Stiftungen, Parteien, ASten (Studierendenvertretungen)/ Unis, Gewerkschaften, Verbände.
Für was Geld benötigt werden könnte: Miete für einen barrierefreien Raum; Gebärden- und / oder Schriftdolmetscher_innen; rolligerechte Dixieklos auf Großdemos und –kundgebungen oder Festivals u.v.m.
Von den vielen Organisationen, die hier in Frage kämen, zählen wir nur einige auf:
Stiftung Umverteilen:
http://www.umverteilen.de/
Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt:
http://www.labournet.de/stiftungMundA/index.html
Stiftung Mitarbeit:
http://www.mitarbeit.de/
Heinrich-Böll-Stiftung:
http://www.boell.de/
Rosa-Luxemburg-Stiftung:
http://www.rosalux.de/
Rosa Luxemburg Stiftung Berlin / Helle Panke: http://www.helle-panke.de/
Aktion Mensch/ Die Gesellschafter:
http://www.aktion-mensch.de/
Gewerkschaften, wie z.B.:
ver.di: http://www.verdi.de/
GEW: http://www.gew.de/
Sicher fallen euch noch potenzielle Geldgeber_innen und Stiftungen ein, die wir nicht kennen oder an die wir nicht gedacht haben…sagt uns bescheid, schreibt uns eine Mail und/oder erzählt es anderen weiter.